Allgemeines
 

Corynephoretum canescentis

Silbergrasflur in der Brunssumer Heide (NL)

Silbergrasrasen sind Pioniere auf Flugsanddünen. In Küstennähe sind deren Vorkommen einleuchtend. Im Binnenland sind solche Dünen Relikte des Tertiärmeeres, dessen Küstenlinie fast die Deutsche Mittelgebirgsschwelle berührte (in Westdeutschland bis zum Niederrhein und bis zur Lippe) und über den heutigen Rheingraben auch noch das Mainzer Becken erreichte. Die Flugsanddünen müssen sich also seit Millionen Jahren als offene Sandflächen gehalten haben.

Sowohl wegen der Trockenheit wie wegen der Nährstoffarmut handelt es sich um von Natur aus baumfreie Biotope. Heute sind sie stark von Aufdüngung durch Immissionen bedroht. Aus der Güllewirtschaft wird durch Regen Ammonium eingetragen; die Stickoxide -z.B. aus den Autoabgasen- verwandeln sich im Regenwasser zu Nitraten und Nitriten. So oder so ist eine zunehmende Aufdüngung zu beobachten, die letztlich zur Verbuschung und damit zur Zerstörung der Sandrasen führt.

Vielerorts hat sich auf dem Sandboden schon früher ein Wald oder -durch landwirtschaftliche Nutzung bedingt- eine Heide entwickelt. Manche traditionelle Nutzungsformen wie das Abplaggen haben auch dazu geführt, dass der blanke Sandboden immer wieder freigelegt wurde und dann eine Silbergrasflur als vorübergehendes Pionierstadium erschien. Das Foto unten zeigt ein solches Beispiel aus der Westruper Heide an der Lippe. Ohne Schafweide und Abplaggen würde es hier längst keine Silbergrasflur mehr geben. Die Tatsache, dass ringsherum große Bäume (meistens Stiel-Eichen) wachsen, belegt, dass solche Flächen ohne menschlichen Eingriff schon den Gang aller Sukzession gegangen wären, also von Wald bestanden wären.

Corynephoretum canescentis

Westruper Heide
 
Sandbiene
Andererseits findet die Gesellschaft Ersatzstandorte in aufgelassenen Sandgruben, natürlich nur so lange, bis auch hier die natürliche Sukzession greift.
 
 
 

Offene Sandflächen sind nicht nur für Pflanzen wichtige Rückzugsgebiete; auch viele Tiere sind davon abhängig. Als Beispiel ist links eine Sandbiene (wahrscheinlich Andrena vaga) abgebildet. 

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Charakterarten
 
 
Spergula morisonii Neben dem Silbergras (Corynephorus canescens), das überregional als Verbandskennart gilt, ist der Frühlings-Spark (Spergula morisonii) (links) die eigentliche Charakterart des Corynephoretum.

 
Den Reigen der Ordnungscharakterarten eröffnet das Fünfmännige Hornkraut (Cerastium semidecandrum). Der Name bezieht sich darauf, dass es in der Regel nur 5 statt der in der Gattung sonst üblichen 10 Staubblätter besitzt. Semidecandrum heißt wörtlich "die Hälfte von zehn Männern".
Cerastium semidecandrum
 
Carex arenaria Die Sand-Segge (Carex arenaria) gehört zu den Gleichährigen Seggen (Untergattung Vignea) und kriecht mit einem unterirdischen Rhizom durch den Sandboden. Davon gehen in sehr regelmäßigen Abständen oberirdische Triebe ab (in der Abb. links von rechts unten nach Mitte links).
 
Sehr selten - noch am ehesten im Lippegebiet bei Wesel - kann man die Französische Segge (Carex ligerica) finden.
Carex ligerica
 
Als Klassencharakterart kommt das Bürstenmoos (Polytrichum piliferum) (unten) auch in anderen Sandgesellschaften, z.B. im Grus von Buntsandstein- oder Schieferfelsen, vor. Im zeitigen Frühjahr fällt es durch die rot gefärbten Gametangienstände auf, die der Volksmund als "Moosblüte" bezeichnet.
 
Polytrichum piliferum
 
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Vorkommen
 

Die Gesellschaft kommt ziemlich selten auf entsprechenden Stellen am Niederrhein und an der Lippe vor. Einzelne Reste finden sich auch noch im Mainzer Becken und im anschließenden Oberrhein.
 

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Ähnliche Gesellschaften
 
 
Silene conica In Rheinhessen und südlich davon findet man deutlich kontinentaler geprägte Pflanzengesellschaften. Diese werden im Verband Sileno conicae-Cerastion semidecandri geführt. Die durch das Sand-Lieschgras (Phleum arenarium) gekennzeichnete Gesellschaft Bromo tectorum-Phleetum arenarii kam im  Flugsandgebiet von Mainz bis Ingelheim vor und ist heute nahezu ausgestorben. 

Das Kegelfrüchtige Leimkraut (Silene conica) (Abb. links)  ist eine Verbandscharakterart, so dass man bei Vorkommen dieser Art mit typischen Begleitern wie dem Fünfmännigen Hornkraut (Cerastium semidecandrum) oder der Dach-Trespe (Bromus tectorum) als Differentialart des Verbandes eigentlich nur von einer Verbands-Gesellschaft reden sollte. KORNECK hat diese Artenkombination 1974 als Sileno conicae-Cerastietum semidecandri beschrieben.

 

 
Die subkontinentalen Sandsteppen des Verbandes Koelerion glaucae (heute meist zu einer eigenen Ordnung Festuco-Sedetalia gezogen) kommen in der hier benutzten Definition des Rheinlands nur bei Mainz in winzigen Relikten vor. Die einzige rheinische Assoziation ist das Jurineo cyanoidis-Koelerietum glaucae, so dass hier Assoziations- und Verbandscharakterarten zusammenfallen.. Neben dem namengebenden Blauen Schillergras (Koeleria glauca) gehört u.a. Gmelins Berg-Steinkraut (Alyssum montanum ssp. gmelinii) (rechts) zu den Kennarten.

Als Differentialart gilt außerdem die Steppen-Wolfsmilch (Euphorbia seguieriena) (unten). Die Art ist primär für Trockenrasen der Ordnung Festucetalia valesiacae (Klasse Festuco-Brometea) typisch. In Sandrasen kennzeichnet sie den Verband Koelerion glaucae.

Alyssum montanum ssp. gmelinii
 
Euphorbia seguieriana
 

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Joachim Schmitz,  27.XII. 2002
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