Schmitzens Botanikseite
Das Morphologische Kabinett Wurzelsprosse
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Laien neigen dazu, alles, was unterirdisch wächst, zur Wurzel zu erklären. Dabei handelt es bei den im Deutschen unglücklicherweise "Wurzelstock" genannten Rhizomen um echte Sprosse. Anatomisch sind Wurzeln und Sprosse so unterschiedlich, dass aus Wurzeln normalerweise keine Seitensprosse abzweigen können. Bei älteren Wurzeln findet aber eine Umorganisation der Leitbündelanordnung statt. Dieser sekundäre Zustand ist dem inneren Aufbau von Sprossen so ähnlich, dass hier nun auch Sprosse entstehen können. Dies ist der Grund, warum sich manche berüchtigte Gartenunkräuter wie Giersch (Aegopodium podagraria) noch aus kleinsten, beim Jäten übersehenen Wurzelresten wieder ausbreiten können. Bei Holzgewächsen kann man wurzelbürtige Sprosse öfters bei Sträuchern beobachten, z.B. bei der Schlehe, den damit verwandten Formen der Pflaume oder der wilden Form der Roten Johannisbeere. Für seine aggressive Wurzelbrut berüchtigt ist auch der Essigbaum (Rhus typhina). Ein spektakuläres Beispiel habe ich 1991 im Bahnhof Bingerbrück (heute: Bingen Hbf) gefunden. Wie man oben sehen kann, hat sich der Essigbaum unterirdisch mit seinen Wurzeln über den Bahnsteig verbreitet und die Wurzelbrut schafft es sogar, durch den Asphalt zu brechen (3 kleine Triebe im Vordergrund).